1.1 Dürfen arme Leute Urlaub machen?
1.1.1 Arbeitslose
BezieherInnen von Arbeitslosenunterstützung, ob sie ergänzende Sozialhilfe beziehen oder nicht, haben drei Wochen Urlaub. Sie müssen ihn beim Arbeitsamt anmelden, ansonsten können sie Ihren Anspruch verlieren.
Wenn Sie arbeitslos sind und ausschliesslich Sozialhilfe beziehen, dürfen Sie ebenfalls nicht für längere Zeit wegfahren. Sie sind ja verpflichtet, sich zu bewerben und Arbeit zu suchen.
1.1.2 Nicht-Arbeitslose
SozialhilfebezieherInnen, die nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, können wegfahren, wie sie wollen und können. Sie müssen keinen Urlaub anmelden.
Das Bundesverwaltungsgericht geht „entsprechend der üblichen Sozialhilfepaxis davon aus, dass kurzfristige Abwesenheiten während des Bewilligungszeitraums von regelmäßig einem Monat die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers unberührt lassen“. (BVerwG 22.12.1998, FEVS 51, 147; auch BVerwG NDV 1995, 170)
In Frankfurt gilt: „Bei vorübergehender Abwesenheit, die von vornherein auf bis zu 3 Wochen am Stück begrenzt ist, ist ... eine unveränderte Weitergewährung der Hilfe akzeptabel“. (FRL III zu § 21 BSHG A vom 22.03.1999)
2.1 Längere Abwesenheit
Bei einer länger als 3-4 Wochen dauernden Abwesenheit endet der zugestandene Urlaubs- und Erholungsbedarf. Dann gilt: „Für die Sozialhilfe örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Hilfeempfänger tatsächlich aufhält“. (§ 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG)
Nach drei Wochen bzw. zum nächsten 1. stellt das Sozialamt in Frankfurt die Sozialhilfe komplett ein, wenn es Ihre Abwesenheit feststellt. Gerade so, als hätten Sie weder Miete noch Strom zu zahlen und könnten von Luft leben. Da das Sozialamt beim Missbrauch seiner Macht am längeren Hebel sitzt, müssen Sie sich darauf einstellen.
Wenn Sie z.B. drei Monate im Ausland sind, ist Ihr bisheriges Sozialamt nicht mehr für die Zahlung des Regelsatzes zuständig, weil der Bedarf dafür am Auslandsort anfällt. (so BVerwG s.o.)
Zuständig bleibt es aber für die Kosten der Unterkunft. Allerdings nur insoweit die Wohnung erhalten bleiben muss und unter Abwägung der bei Verlust der Wohnung entstehenden Kosten.
Auch Krankenversicherungsbeiträge sind zunächst weiterzuzahlen. Bei Auslandsaufenthalten aber nur, wenn auch Krankheitskosten im Ausland übernommen werden. (BVerwG 22.12.1998, FEVS 51, 150)
3.1 Wer bezahlt Ihren Urlaub?
Urlaub, bezahlt durchs Sozialamt, gibt es für „normale“ SozialhilfebezieherInnen nicht. Urlaub ist Luxus. (OVG Hamburg 20.10.1989, FEVS 33, 96; OVG Münster, NDV 85, 130; VGH Hessen 26.10.1993, FEVS 1995, 25)
Wenn Sie in Urlaub fahren, wird das Sozialamt misstrauisch. Es vermutet nicht angegebene Einkommen. Wenn Sie bei Freunden oder Verwandten gewohnt haben oder von ihnen irgendwohin mitgenommen worden sind, können Sie das zerstreuen. So wie Sie an Ihrem Heimatort leben, können Sie auch an jedem anderen Ort leben, vielleicht sogar billiger.
Wenn Ihnen aber ein Freund eine dreiwöchige Urlaubsreise für 2.800 DM finanziert, gilt diese Summe als einzusetzendes Vermögen. Urlaub ist eben nicht notwendig(er Lebensunterhalt). (VG Meiningen 13.06.1997, ZfF 1999, 181)
4.1 Urlaub für Alte und Behinderte
Für alte Menschen können die Kosten eines Seniorenurlaubs im Rahmen der Altenhilfe (§ 75 Abs. 2 Nr. 4 BSHG) übernommen werden (in Frankfurt auch für Ausländer).
Für sie ist auch eine Erholungskur (nach § 36 Abs. 2 BSHG) möglich, wenn eine Erkrankung oder ein Gesundheitsschaden droht. Es gelten dieselben Voraussetzungen wie bei Müttergenesungs->kuren.
Für Behinderte sind Ferienaufenthalte als Hilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte möglich (vgl. Leidfaden für Behinderte)
4.2 Familienerholung
Jedes Bundesland hat eigene Richtlinien zur Förderung der Familienerholung.
Die hessische Landesregierung hat 1996 die Förderung gestrichen, um z.B. die Steuerausfälle aus Immobilienanlagen im Osten auszugleichen. Daraufhin hat auch die Stadt Frankfurt erfreut ihren Zuschuss eingestellt.
Information
Familienerholung in Deutschland, Hg. BAG Familienerholung, Bernhard-Letterhaus-Str. 26, 50670 Köln, Tel. 0221, 772 21 13, Fax: 772 2124. Informiert über Familienferienstätten und Zuschüsse in den Bundesländern
http://www.familienerholung.de informiert über alle Landesförderungen sowie zahlreiche Angebote.
Ferienfreizeiten der Stadt Frankfurt oder anderer Träger gibt es für Ihre Kinder. Ihnen entstehen keine Kosten, wenn Sie Sozialhilfe beziehen.
Kritik
Entgegen den Behauptungen der VerBILDungspresse, dass die Sozialhilfe-bezieherInnen an den Stränden Spaniens ihre Sozialhilfe verprassen, fährt nur jeder siebte Sozialhilfebezieher in Urlaub. (Rainer Roth, Über den Monat am Ende des Geldes, Frankfurt 1992, 72) Der Wunsch nach Erholung gehört zu den grössten Wünschen der SozialhilfebezieherInnen, bleibt aber meist nur ein Traum.
Warum soll es nicht so sein wie in den Niederlanden, wo SozialhilfebezieherInnen rund 1.000 Gulden Urlaubsgeld im Jahr bekommen?
Forderung
Jährliches Urlaubsgeld für Sozialhilfe-bezieherInnen!
Sozialhilfe für Reiche
Schade, dass Sie keine Geschäfte im Ausland machen. Dann könnten Sie nämlich Ihren Urlaub als Betriebsausgabe bei Ihrem Steuersozialamt einreichen.
Auf Kosten der Steuerzahler Urlaubsreisen als Geschäftsreisen zu tarnen, ist für Geschäftsleute völlig normal. Haben Sie sich einen betrieblichen Anlass sowie Gesprächspartner und Zeitplan überlegt, können Sie Geschäftsreisekosten „unbegrenzt steuerlich absetzen“. (Unternehmer Magazin 2/1993, 21)
Trick 1: Hotelkosten auch für Luxushotels werden in beliebiger Höhe steuerlich anerkannt.
Trick 2: Flüge auch in der First-Class, die 5-6 mal so teuer ist als die Economy-Class, werden anstandslos akzeptiert.
Trick 3: Kosten für Mietwagen, Taxis usw. sind als Betriebsausgabe absetzbar.
Trick 4: Wenn Sie befreundete Politiker zur Geschäftspflege auf Ihre Segelyacht nehmen, sind deren Kosten als Betriebsausgabe absetzbar.
Trick 5: Geschäftsreisen können Sie mit Zwischenerholungen oder Anschlußerholungen verbinden. Kulturelle und sportliche Möglichkeiten (z.B. Golf) sind leicht zu nutzen.
Trick 6: Auch die Ehegattin kann als betriebsnotwendig gelten.
Der Gesamtwert der Geschäftsreisen beläuft sich wahrscheinlich auf rd. 100 Mrd. DM im Jahr. (profitravel 8/1989, 90) Wenn nur 20-30% davon nicht geschäftlich notwendig d.h. Privatvergnügen sind, gäbe das schon Steuerausfälle in zweistelliger Milliardenhöhe. Die Geschäftsreise ist das goldene Kalb der Sozialhilfe für Reiche.
Dahinter wollen unsere reiselustigen Politiker und ihre Ehefrauen nicht zurückfallen. Auf Kosten des Steuerzahlers „Informationsreisen“ in die weite Welt zu unternehmen, ist für sie selbstverständlich.
(aus dem Leitfaden für Sozialhilfe der AG TUWAS Frankfurt)